Monatsbeiträge

Juni - Aug. 2021, Peter Steiner

Streitigkeiten zwischen Menziken und Maihusen

1. Teil

Von seiner Lage her muss der Weiler Maihusen ursprünglich eine Menziker Aussensiedlung gewesen sein, genau gleich wie das nordwestlich davon gelegene Emmet. Als die Eidgenossen 1415 den Aargau eroberten, wurde dieses Verhältnis abrupt unterbrochen, indem die neue bernisch-luzernische Kantonsgrenze die beiden Siedlungen fortan voneinander trennte. «Maihusen» ist übrigens eine verfälschte Namensform. Der Weiler, der anfänglich aus einem einzigen Haus bestand, hiess ursprüngIlcih sinngemäss «zem Einus». Doch nach und nach schlich sich die neue Namensform ein. Im 14 Jahrhundert waren bereits beide Bezeichnungen nebeneinander in Gebrauch. In einer Quelle von 1346 heisst es noch «zem Einhus», in einer andern von 1344 bereits «ze Meinhuse». Doch noch 1538 konnte der Lenzburger Landvogt vom «Einhus» schreiben.

Eine Beziehung zwischen Menziken und der Kleinsiedlung südlich davon blieb nach der Grenzziehung bestehen, da sich der Maihuser Landbesitz zum grossen Teil auf Menziker Boden befand («deren alles meistens im Mentziker twing ligt»). Das war problematisch und führte oft zu Streitigkeiten. Ein erster Fall ist von 1538 überliefert. Im Herbst des Jahres wandten sich damals die Menziker hilfesuchend an Landvogt Kammerer auf der Lenzburg. Die Maihuser hatten durch Menziker Wiesen Gräben gezogen, um Wasser auf ihr eigenes Land zu leiten. Es war ja früher üblich, die Matten nicht zu düngen, sondern zu wässern. Möglicherweise hatten die Maihuser ehemaliges Acker- in Mattland umgewandelt, so dass der Wasseerbedarf neu war. Die Menziker klagten dem Landvogt, sie erlitten durch die Gräben grossen Schaden und baten ihn, den Maihusern «ze gebietten, mit der wässerung stiil ze stehen» (sie nicht weiter auszubauen), ihre Nachbarn in Ruhe zu lassen und fur die Durchleitung des Wassers einen Zins zu bezahlen. Der Landvogt schickte «biderbe lütt» für einen Augenschein nach Menziken. Diese waren der Ansicht, der Nutzen auf der einen Seite sei grösser als der Schaden auf der anderen. Dieser sei nicht so riesig. Der Landvogt fand deshalb, die Maihuser sollten mit dem Graben weiterfahren und dann einen angemessenen Zins bezahlen. Die Matten der Menziker sollten jeweils zuerst wässern dürfen. Die Maihuser, vertreten durch Marx Johannes und Peter Galliker, waren mit diesem Vorschlag nicht einverstanden und riefen das Stift in Beromünster, den Oberherrn über ihre Wiesen, zu Hilfe. Der Landvogt aber wandte sich seinerseits an seine Vorgestzten in Bern. Die Angelegenheit zog sich deshalb in die Länge. Gerne möchte man wissen, zu welcher Lösng man schliesslich gelangte; doch wir kennen die definitive Regelung nicht.

2. Teil

Lange Zeit scheinen die Maihuser und die Menziker dann im Frieden miteinander gelebt zu haben. Es mag kleinere Reibereien gegeben haben, die aber nicht aktenkundig wurden. Doch 1710 entfachte sich ein neuer Streit um die Besoldung des Menziker Holzweibels, des dörflichen Beamten, dem die Aufsicht «in holtz und feld» oblag. In Menziken war es wie allethalben in der Grafschaft Lenzburg üblich, «daß ein jeder, der ein pflug ins feld führt, dem holtzweibel … . zu seiner besoldung ein korngarben entrichtet». Die Bauern von Maihusen jedoch, das inzwischen fünf Höfe aufwies, waren der Meinung, dazu nicht verpflichtet zu sein. Sie seien 1707 anlässlich einer «Conferenz» in Huttwil davon befreit worden. Sie hätten davor nur «auß Gütigkeit bezahlt, weil der Holzweibel «ein wachsam auge auf vieh und waldung gehabt». Allerdings waren die Maihuser in Huttwil ermuntert worden, «zu erhaltung guter nachbarschaft» die Garben weiter zu entrichten.

Landvogt Berset, dem die Menziker die Lage schilderten, wandte sich an die Herren in Bern um Unterstützung. Er betonte, dass «nit nur hiesige angehörige, sondern auch alle Lucernische underthanen so einiges Land zu hieisger bottmessigkeit besitzen, als die von Schwartzenbach, Lüschhoff, Niederwyl, in der Wynen» die Garben entrichteten. Sie gäben dem Holzweibel, wenn er die Garben abhole, als Dank für seine Aufsicht auch zu essen und zu trinken. Nur die Maihuser mit dem «eigensinnigen Redliführer» Hans Schüpfer wollten das nicht tun. Der Landvogt beschränkte sich nicht auf das Schreiben, sondern griff auch aktiv in das Geschehen ein. Er liess den Maihusern eine Anzahl Garben als Pfand von ihren Feldern führen.

Die Berner Obrigkeit wandte sich in der Angelegenhei an die Regierung in Luzern und gab der Hoffnung Ausdruck, diese regle die Sache. Sie betonte, dass Berner Untertanen mit Gütern auf Luzerner Boden sich umgekehrt auch an den alten Brauch hielten. Und sie wies gerne darauf hin, der Amtmann in Beromünster sei von der Verpfllichtung der Maihuser überzeugt.

Eine Lösung kam nicht zustande; es blieb alles in der Schwebe. Menziken und der Landvogt erwarteten aus Maihusen weiterhin fünf Garben, doch die dortigen Bauern weigerten sich hartnäckig, liessen sich weder durch Argumente noch das aktive Eingreifen des Landvogts beeindrucken. Im Sommer 1714 wandte sich der nachgerade ratlose Landvogt nochmals um eine «wegweisung» an die Vorgesetzten in Bern. Wie der Streit schliesslich ausging, geht aus den uns vorliegenden Quellen leider nicht hervor.

Kantons-Grenzstein zwischen Menziken und Maihusen von 1512, <br>Luzerner Seite. Foto Christian Märki

Kantons-Grenzstein zwischen Menziken und Maihusen von 1512,
Luzerner Seite. Foto Christian Märki

3. Teil

Der nächste überlieferte Streit ereignete sich 1786. Die stark befahrene Strasse von Menziken «gegen das Luzernische» befand sich in sehr schlechtem Zustand, so dass der Lenzburger Landvogt ihre Erneuerung anordnete. Zu den Arbeiten verpflichtet waren die an der Strasse liegenden Gemeinden. Die Bauern hatten je nach Grösse und Wert ihres Landes mit Fuhrungen, Geld oder Handarbeit an das Werk beizutragen. Zu den entsprechenden Leistungen waren nach Menziker Ansicht auch die Maihuser mit Besitz in Menziken verpflichtet, umso mehr als die Strasse ja auch ihnen diente. Ihre Menziker Güter stiessen teils sogar direkt an die Strasse. Die Maihuser sahen das anders, und alle verweigerten die Mitwirkung. Es handelte sich bei den Widerspenstigen um Joseph und Klaus Schüpfer, Marti und Joseph Galliker, einen zweiten Joseph Galliker und Jakob Gallikers Erben.

Die Menziker Gemeindevorsteher luden nun die Maihuser mit Zustimmung des Luzerner Landvogts in Münster zum Verhör vor dem Lenzburger Landvogt ein. Am letzten Januartag fanden sich die Menziker Vorgesetzten Ammann und Vogt eimnerseits, fünf Maihuser Bauern anderseits auf der Lenzburg ein. Die Menziker riefen unter anderem den Entscheid in der Garbenfrage von 1710/14 in Erinnerung, den die Maihuser möglicherweise doch noch respektiert hatten. Betont wurde auch, dass fremde Güter auf Luzerner Boden dort auch alle Beschwerden mittragen müssten. Für Landvogt Fischer war die Sachlage klar. Er liess den Maihusern die Wahl, die Fuhrungen und die übrige Arbeit «eutweder selbst zu thun oder das Billige (Erforderliche) an Gelt zu bezahlen». Er liess sein Urteil in Bern bestätigen. So kamen die Menziker definitiv zu ihrem Recht.

Nur drei Jahre später machten die Maihuser Streithähne erneut von sich reden. Diesmal ging es um die Armenlasten, die ebenfalls von den Bauern im Verhältnis zu ihrem Lansbesitz aufzubringen waren. Menziken hatte nun «eine neue Eintheilung, eine billigen Auflage» auf den Liegenschaften in der Gemeindfe gemacht. Die Maihuser wurden angefragt, ob sie sich für ihre Güter im Menziker Bezirk mit der Neuregelung abfinden konnten. Diese erklärten, sie «wollten zuerst ihrer gnädigen Obrigkeit davon berichten». Es folgte ein langes Stillschweigen. Schliesslich zitierte Menziken die Maihuser erneut vor den Lenzburger Landvogt. Dort fanden sich die beiden Parteien am 7. Juli des Jahres «zu friedlicher Beilegung des Streites» ein. Die Maihuser liessen verlauten, dass sie sich «über den eigenmächtigen Auftritt der Gemeinde Mentziken höchlich wundern». Sie glaubten nicht, dass die Neuregelung ohne Zustimmung der Stände Bern und Luzern in Kraft treten könne. Im übrigen könnten sie «als Äussere von der Gemeinde Menziken ja nicht das geringste Zeug(?) beziehen». Damit brachten sie ein stichhaltig scheinendes Argument vor: Sie teilten die Rechte der Menziker Nachbarn nicht, konnten zum Berspiel nicht an der dortigen Gemeindeversammlung teilnehmen. Allerdings bezahlten sie ja auch die Gemeindesteuern nicht. Sie waren eben keine Menziker Bürger. Vermutlich mussten sie aber auch bei den Armenausgaben klein beigeben.

Wir dürfen ruhig annehmen, dass zwischen Maihusen und Menziken keine grundsätzliche Feindschaft bestand. Im Normalfall begegnete man sich freundnachbarlich oder ging sich schlimmstenfalls unbeteiligt aus dem Weg. Kaum eine nennenswerte Rolle spielte der konfessionelle Gegensatz zwischen den reformierten Menzikern und den katholischen Maihusern. Eine Untersuchung hat klar ergeben, dass die Glaubensspaltung die guten Beziehungen über die Grenze hinweg keineswegs auslöschte (Jahresschrift HVW 1982, Die beiden Konfessionen im Oberwynental nach der Reformation).

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    • Titel:
      Streitigkeiten zwischen Menziken und Maihusen
    • Autor:
      Peter Steiner, Reinach
    • Veröffentlichung:
      1. Juni 2021
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  • Quellen

    • Saatsarchiv Aargau, Lenzburger Aktenbücher F, G, S, U
    • Staatsarchiv Bern, Teutsches Missivenbuch Nr.45, 5.02,1715
    • Stiftsarchiv Beromünster, Kelleramtsurbar 1546-47, S.365 f