In den Medien

Fr, 14. September 2012, Willi Frey

Sprung ins Ausland: St. Blasien als Ziel

Reinach: Exkursion der Historischen Vereinigung Wynental

Der Merz-Car von Beinwil am See führte bei der diesjährigen Herbstexkursion der Historischen Vereinigung Wynental 37 Mitreisende über die nördliche Landesgrenze hinaus in den Südschwarzwald, wo im Luftkurort Sankt Blasien der Dom besichtigt wurde.

wf. Das frühherbstliche Wetter verwandelte die nachmittägliche Anreise nach dem Albtal zu einem ersten Genuss, nachdem die Formalität für den Chaffeur in Waldshut für die Entrichtung des "Wegzolles" eine etwas verlängerte Wartezeit bewirkt hatte. Rasch bewältigte der moderne Reisebus die 400 Meter Höhenunterschied auf der B500 bis zum Scheitelpunkt Höchenschwand auf 1020 Meter.

Hügeliger Südschwarzwald

In vielen weiteren Windungen senkte sich nach der Abzweigung in Häusern die Route zum Klosterdorf mit seinen 2500 Einwohnern, welches im 18. Jahrhunder das Stadtrecht erhalten hat. Im 19. Jahrhundert erhob es sich ausserdem zu einem Kurort, der entsprechende Bauten erstehen liess. Viele davon lehnten sich an den "Schweizer Baustil" an, wusste uns die einheimische Führerin zu berichten, welche die Reisegruppe aus dem Wynental nun in ihre Obhut übernommen hatte: Der "Laubsägeli-Stil" habe auch hier seine Anhänger gefunden. Die Ortskundige wusste weiter zu erläutern, dass die Gemeinde dank der zugehörigen Dörfer eigentlich 4000 Seelen zähle und sich flächenmässig vom Feldberg bis zur Albtal-Mühle erstrecke.

Gotteshaus St. Blasien: die Teilnehmer der Exkursion der Historischen Vereinigung Wynental machten sich mit der bewegten Geschichte des Doms vertraut. (Bild: wf.)

Gotteshaus St. Blasien: die Teilnehmer der Exkursion der Historischen Vereinigung Wynental machten sich mit der bewegten Geschichte des Doms vertraut. (Bild: wf.)

Bereits im 9. Jahrhundert erwähnt

In ihrem alemannischen Dialekt führte die Fremdenführerin die südlicheren Alemannen nun vom grosszügig gestalteten Vorplatz hinein ins "Gottshaus St. Blasien", das heute Dom genannt wird. Eine Urkunde aus dem Jahre 858 berichtet nämlich von der Übergabe einer Mönchszelle an das Kloster Rheinau. Ein dortiger Mönch liess danach "Brüdern" im benachbarten Waldtal einen kostbaren Schatz zukommmen. Dabei handelte es sich um Reliquien des hochverehrten armensichen Märtyrer-Bischofs Blasius, wonach dank diesem Heiligen das später entstandene Kloster Sankt Blasien benannt wurde. Unter der Nordwestecke des Kollegs liegen noch heute die Fundamente des ersten steinernen Klösterchens mit dem "Alten Münster". Im Laufe von sechshundert Jahren verursachten Brandkatastrophen immer neue Um- und Neubauten des romanischen, gotischen und barocken Gebäudes.

Wechselvolle Geschichte

Die heutige Kuppelkirche wäre im Jahre 1806 beinahe der Spitzhacke zum Opfer gefallen. Ber der Aufhebung des Klosters durch den Staat sollte sie abgerissen werden. Der damalige badische Baudirektor konnte dies verhindern und daher blieb das Münster vorerst als Pfarrkirche bestehen. Ein neuer Brand vernichtete sie im Jahre 1874 vollends. Fast 40 Jahre später entstand ein der Zeit (und der vorhandenen Mittel) entsprechender veränderter Neubau. Als es im angebauten Kolleg im Jahre 1977 bedrohlich gebrannt hatte, wurde eine Erneuerung und Vollendung unumgänglich. Daraus resultierte eine Verbindung des Baues aus der Jugendstilzeit von 1913 mit den klassizistischen Bauplänen des Originals, wleches nun die Wynentaler als "Dom" bewundern konnten.

Das Pantheon als Vorbild

Wer sich nach der Besichtigung des Dom-Innern auch noch ein wenig im angrenzenden Park mit seinen wuchtigen Bäumen umsah, stiess dort auf einen Gedenkstein mit einer Inschrifttafel, die an den Fürstabt Martin Gebert aus Horb am Neckar (1720-1793) erinnert. Wie die Führerin erwähnte, war er einer der bedeutensten Äbte in St. Blasien. Auf seinen Reisen in den Süden hatte ihn in der Ewigen Stadt die altrömische Marienkirche, das Pantheon, stark beeindruckt. Er war gewillt, diesem Bau nördlich der Alpen ein Ebenbild zu setzen.
Weiter faszinierten den Gottesmann der neue klassizistische Kirchenstil des Invalidendomes und weitere Kirchen in Frankreich. Er hatte als Zeitgenosse zwischen Barock und Aufklärung den Mut, die 1768 niedergebrannte Abtei und Kriche in einem völlig neuen Stil aufzubauen.
Viele ausgewiesene Bauhandwerkrer, Architekten und Künstler standen dem Wiederaufbau aufgrund neuer Stilprinzipen dem einflussreichen Abt zur Seite, während er sich persönlich um die Prüfung der heiklen Statik-Pläne in Paris kümmerte. 1772 lag ein Hauptentwurf vor, sechs Jahre später wurde das Kuppeldach vollendet und im Jahre 1781 die Kirche eingesegnet. Nach einem Besuch im selben Jahr schrieb der bekannte Schriftsteller und Verleger Nicolai aus Berlin: "Die Kirche von St. Blasien ist bei weitem das vollkommenste moderne geistliche Gebäude in Deutschland, das ich je gesehen habe."

Ein aufschlussreicher Rundgang

Nach den geschichtlichen Erläuterungen um die Ursprünge und Zusammenhäng mit der Klostergründung und den Hinweisen auf die Verknüpfung mit Fäden nach der Schweiz wies die fachkundige Sprecherin auf die vielen Details im Innern des Doms hin. Die Zuhörer konnten dabei erfahren, dass die Zahl 36 eine herausragende Grössse bilde, die bei verschiedenen Dimensionen vielfach wieder in Erscheinung trete. Als Beispiel: In der Rotunde hätte, vom Kuppelscheitel bis zum Marmor-Fussboden eine ausgedachte Kugel von 36 Metern Durchmesser Platz. Auf dem weiten Vorplatz hatte die Führerin ihre Schweizer Besucher empfange, wo sie voerst auf die 1716 erstellte Brunnenfigur des Heiligen Blasius aufmerksam gemacht worden waren. Ein prachtvolles Portal aus Eichenholz bot den Eintritt von der etwas düsteren Vorhalle mit spärlichem Bildschmuck in die lichterfüllte Rotunde. Sofort war die Besucherschar gebannt von der Grösse (Durchmesser 36 Meter), der Harmonie und der Heiligkeit des in Weiss gehaltenen Raumes.
Die Sprecherin erklärte gleich am Anfang den Grund, warum einst nicht das Rechteck dieses Domes als Grundform gewählt worden war sondern die kreisrunde Form: "Ein Kreis hört nie auf und fängt nie an - also ein Symbol, übernommen vom Pantheon."
Auf die vielen markanten Besonderheiten kam die Führerin in ihren Erklärungen zu sprechen, als ihre Wynentaler Zuhörer in den modernen Kirchenbänken von ihrem Wissen profitierten, das sie nicht "ab Blatt" vermittelte. So erfuhren die Zuhörer im akustisch geprägten Kuppelgebäude von den Grundgedanken des damaligen Abtes: Er wollte einen Gegenpol zur Aufklärung setzen und den Glauben in den Vordergrund rücken, weil dieser ihm mächtig vorkam. Sein Ziel: Ein Tempel des Glaubens und der Einfachheit. Die Betrachter konnten dies daran erkennen, dass der Bilderschmuck reduziert und auch die bauliche Ausrüstung mit Stuck recht spärlich war. Es sei eine Revolution gegen den Barockstil mit seiner schwülstigen Ausschmückung gewesen, konnten die lauschenden Zuhörer widerhallend vernehmen. Die weisse Farbe, welche dominierte, liess alles grösser erscheinen. Und in Sachen Grösse: St. Blasien verfügt über die viertgrösste Kuppel in Europa.

Zum Schluss der Mönchschor

Südlich der Rotunde wechselten die Besucherinnen und Besucher zum Mönchschor, einem basilikaähnlichen Langhaus, abgetrennt durch ein kunstvolles Chorgitter in Form eines Wildrosenhanges. Nahe daran lehnt sich der wuchtige Rosenquarzaltar an. Auf der Südseite fiel die grosse Orgel mit dem dunklen Prospekt aus dem Jahre 1913 auf. Beinahe hundertjährig wird sie bereits heute als "klingendes Denkmal" bezeichnet, auf dem eltiche Male im Laufe des Jahres bedeutende Konzerte stattfinden, wie das aufgelegte Programm verriet.
Bevor die Heimfahrt zu den verschiedenen Sammelpunkten der Mitreisenden im Wynental angetreten wurde, konnten sie sich im nahen Dom-Café bei Vorstandsmitglied Raoul Richner für die in jeder Beziehung gut organisierte "Auslandreise" bedanken.

  • Dokument

    • Titel:
      Sprung ins Ausland: St. Blasien als Ziel
    • Original:
      Wynentaler Blatt
    • Autor:
      Willi Frey, Gontenschwil
    • Veröffentlichung:
      14. Sept. 2012