Monatsbeiträge

November 2020, Christian Märki

Oberwynentaler Tabakunternehmen an der Landesausstellung 1914 in Bern

Im Jahr 1851 fand in London die erste Weltausstellung statt. Auf dieser ersten Industrieausstellung wurden Errungenschaften und Erzeugnisse von Industrie, Handel und Handwerk vorgestellt. Nach dem Vorbild dieser Leistungsschau fanden in der Folge nationale Landesausstellungen statt. Auch in der Schweiz fand 1857 eine Schweizerische Gewerbe- und Industrieausstellung als Vorläuferin der eigentlichen Landesausstellungen statt. Die offiziellen Schweizerischen Landesausstellungen wurden in den Jahren 1883 in Zürich, 1896 in Genf, 1914 in Bern, 1939 in Zürich (Landi), 1964 in Lausanne und 2001 in der Region Biel / Neuenburg / Murtensee durchgeführt.

Ziel der (frühen) Landesausstellungen war zu einem wesentlichen Teil die Darstellung der Errungenschaften und der Erzeugnisse des Gewerbefleisses in Industrie, Handel und (Kunst-) Handwerk. Die Ausstellungen trugen wesentlich den Charakter einer Leistungsschau, bei welcher die ausstellenden Unternehmungen und Betriebe die besondere Qualität oder Innovation ihrer Produkte präsentieren konnten. Dieser Aspekt wurde durch die Prämierung der besten Aussteller mit Gold-, Silber- und Bronzemedaillen besonders betont. Die Prämierung an einer Landes- oder gar Weltausstellung war eine Auszeichnung, welche in der Werbung stets hervorgehoben wurde.

Bronzemedaille der Landesausstellung 1914 Vorderseite

Bronzemedaille der Landesausstellung 1914 Vorderseite

Die Landesausstellung 1914 wurde in Bern durchgeführt. Die Landesausstellung ist durch Festführer, Ausstellungsanzeiger, Administrativen Berichten und einer Vielzahl von Plakaten und weiteren Publikationen sehr gut dokumentiert (vgl. expoarchiv.ch). Besonders aussagekräftig und informativ für die ausstellenden Branchen und Einzelbetriebe ist das "Illustrierte Ausstellungsalbum"; auf 558 Seiten werden die gesamte Landesausstellung, die beteiligten Branchen und die Aussteller in Text und Bild darstellt.

Deckel des Ausstellungsalbums 1914, Originalmasse 25 x 32 cm

Deckel des Ausstellungsalbums 1914, Originalmasse 25 x 32 cm

Auf dem Ausstellungsgelände im Länggassquartier in Bern wurden Pavillons eingerichtet, in welchen die nach Gruppen organisierten Aussteller ihre Präsentationen einrichten konnten. Die Aussteller wurden thematisch in 56 Gruppen von der Landwirtschaft (1. Gruppe) bis hin zum Zeitungswesen (56. Gruppe) eingeteilt.
Die 9. Gruppe umfasste die Nahrungs- und Genussmittel und stellte mit 12 Untergruppen den grössten Bereich der Landesausstellung. Die Ausstellerin waren im prächtigen, dreiportaligen Pavillon "ALIMENTATION – NAHRUNGS- u. GENUSSMITTEL – ALIMENTAZIONE" untergebracht.

Eingang zum Lebensmittelpavillon

Eingang zum Lebensmittelpavillon

Neben Müllerei, Brot und Teigwaren, Milchprodukten, Fleischwaren, Biscuits- und Confiseriewaren, Chocolade und Kakao, Konserven, Mineralwasser, Bierbrauerei, Likören und unvergorene Getränke, Fette, Öle und Surrogate und Kochkunst bildete "Tabake und Zigarren" die letzte Untergruppe. Das Ausstellungsalbum hielt zur Tabakindustrie fest:

"Diese Industrie zählte 1913 211 Fabrikationsbetriebe.
Die Einfuhr von Tabak hat sich seit der Genferausstellung 1896 von 8600 qm, auf 16'100 qm im Jahre 1912 erhöht. Ebenso hat die Ausfuhr an fertiger Ware zugenommen und wurden 1912 4207 qm. Gegenüber 2897 im Jahre 1896 versandt.
30 Firmen widmen sich nur der Zigarettenfabrikation und dürfen die Erzeugnisse bezüglich Qualität sich sehen lassen gegenüber den ausländischen Marken, deren Import aber trotzdem nicht nachlässt. Die Zahlen-Einfuhr 1906 750 qm., 1913 2398 qm. Sprechen für sich und zeigen, dass hier die einheimische Industrie nicht die Unterstützung findet, die sie erwarten dürfte.
Die Zigarrenfabrikation hat in den letzten Jahrzehnten sich günstig entwickelt. Ihre Anstrengungen waren von Erfolg begleitet dank der Aufmerksamkeit den man stets mehr der Qualität, der Aufmachung und der sorgfältigen Verpackung widmete.
Heute konkurriert das Schweizerfabrikat und hält den Vergleich aus mit den renommierten Produkten von Bremen und Hamburg. "

Unter den Ausstellern der Tabakindustrie waren auch die Firma Weber Söhne aus Menziken und die Firma Gautschi&Hauri, Reinach. Beide betrieben an der Ausstellung einen Ausstellungsstand oder Kiosk und wurden entsprechend im Ausstellungsalbum dargestellt.

Ausstellungsstand der Firma Weber Söhne Menziken an der Landesausstellung 1914 in Bern

Ausstellungsstand der Firma Weber Söhne Menziken an der Landesausstellung 1914 in Bern

Der Stand der Firma Weber Söhne wurde als Chalet ausgestaltet. Über den Schaufenstern ist der Schriftzug mit der Firmenbezeichnung angebracht. In den Schaufenstern sind die Produkte der Unternehmung ausgestellt. Die Firma Webe Söhne präsentiert sich im Ausstellungsalbum international in französischer Sprache. Neben dem Gründungsjahr der Firma 1838 werden die Auszeichnungen vorangegangener Ausstellungen erwähnt: "Mention honorable: Berne 1857 – Diplôme: Zurich 1883 – Médailles d' or: Genève 1896, Bruxelles 1906, Berne 1914". Die erteilten Prämien und Medaillen werden besonders betont; mit der Goldmedaille 1906 Brüssel konnte die Firma Weber Söhne sogar eine an der Weltausstellung errungene Auszeichnung aufführen.

Ausstellungsstand der Firma Gautschi&Hauri, Reinach, an der Landesausstellung 1914 in Bern

Ausstellungsstand der Firma Gautschi&Hauri, Reinach, an der Landesausstellung 1914 in Bern

Der Ausstellungsstand der Firma Gautschi&Hauri kommt ganz anders daher: auf einem Sockel mit Firmenbezeichnung und Gründungsjahr erhebt sich ein Glaskasten mit dem Ausstellungsgut, der von einer Zwiebelhaube bekrönt ist. Zuoberst sitzt eine "Wetterfahne" mit dem Firmensignet ("Güggel"). Der Ausstellungsstand erinnert von der Gestaltung her an eine Wetter- oder Litfasssäule oder an einen barocken Zwiebelturm. Die Firma "Gautsch&Hauri" präsentierte sich in deutscher Sprache. Auch ihr waren das Gründungsjahr und die errungenen Auszeichnungen wichtig (Genf 1896: Goldene Medaille, Bern 1914: Goldene Medaille).

Unter den Ausstellern war auch eine Firma "Jean Hediger –Weber" gegründet 1878 mit Sitz in Biel, welche sich auf die Herstellung von Zigaretten spezialisiert hatte und sich mit dem Prädikat "Fournisseur de la Régie royale italienne" schmücken konnte. Ein Zusammenhang dieser Firma mit der Oberwynentaler Tabaksindustrie ist aufgrund des Firmennamens, der gleich zwei namhafte Tabakdynastien enthält, wahrscheinlich.

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    • Titel:
      Oberwynentaler Tabakunternehmen an der Landesausstellung 1914 in Bern
    • Autor:
      Christian Märki
    • Veröffentlichung:
      1. Nov. 2020
    • Download:
  • Quellen

    • Schweizerische Landesausstellung in Bern, Illustriertes Ausstellungsalbum, Offizielle Publikation, Herausgegeben mit Genehmigung und Unterstützung des Zentralkomitees der Schweizerischen Landesausstellung, Redaktion: & Verlag: Phototechnik AG Bern, Verlag ATAR Genf 1914
    • expoarchiv.ch, virtuelles Archiv über die Landesausstellungen 1883 bis 1914 und weitere Themen