Monatsbeiträge

August 2016, Raoul Richner

Eine Beschreibung des Bezirks Kulm von 1817

Nach der Gründung des heutigen Kantons Aargau im Jahr 1803 machte man sich daran, die einzelnen, bisher nicht im gleichen Staatswesen verbundenen Regionen einander bekannt zu machen. Man war sich bewusst, dass ein aargauisches Zusammengehörigkeitsgefühl nicht über Nacht und auch nicht nur durch die Installation eines politischen Systems entstehen konnte. Daher ist es wenig überraschend, dass sich die progressiven Aargauer zu Vereinen zusammenschlossen, die neben vordergründigen Vereinszielen auch ein Zusammenwachsen des Kantons beabsichtigten.

Ein solcher Verein war die «Gesellschaft für vaterländische Kultur», die 1810 von Heinrich Zschokke und Heinrich Remigius Sauerländer gegründet worden war. Diese Gesellschaft wiederum gab während einiger Jahre ein «Neujahrsbatt für die aargauische Jugend» heraus. 1816 befasste man sich mit der Geschichte, 1817 mit der Geographie und 1819 mit den Mineralien im Aargau. Diese Publikationen von je rund 30-35 Seiten waren für 5 Batzen zu haben und sollten so möglichst weit gestreut werden.

Umriss der Landesbeschreibung des eidgenössischen Freistaats Aargau - Zweites Neujahrsblatt

Umriss der Landesbeschreibung des eidgenössischen Freistaats Aargau - Zweites Neujahrsblatt

In der Folge wollen wir auf das zweite Heft eingehen, das sich mit der «Landesbeschreibung» befasst. Obwohl kein Autor genannt wird, steht fest, dass Heinrich Zschokke den Text verfasst hat. Sowohl sein Interesse an Naturwissenschaften wie auch an Geschichte kommt klar zum Ausdruck.

Wir geben die Beschreibung dieses ganzen Kapitels hier im Wortlaut wieder:

12. Bezirk Kulm

Er hat über 16'000 Einwohner, die in 16 Dörfern, 5 Weilern und 15 einzelnen Höfen wohnen; die Anzahl der mit 2'481'000 Fr. brandversicherten Gebäude beträgt 2290; die Zahl der Kirchen 8; die Zahl der Getraidemühlen 13; die Zahl der Kalk- und Ziegelbrennereien nur 1. – Der Landbau hebt sich seit Loskauf der Zehnden und Bodenzinse; giebt jetzt selbst Korn zur Ausfuhr, dessen er sonst zu wenig hatte. Der Bezirk ist ohne Stadt, doch wohnen in den Dörfern selbst die nöthigsten Handwerker.

  • der Hauptort des Bezirks ist das Dorf Unterkulm, mit beinah 1400 Seelen. Oberkulm mit vielen Höfen und einer Bevölkerung von ungefähr 1300 Seelen. Hier Spinnmaschinen. Bei Oberkulm wurden im J. 1756 römische Gemäuer und Alterthümer entdeckt. – Teuffenthal, darüber auf der Höhe das alte Schloß Trostburg in Trümmern.
  • Gontenschwyl, nahe dabei zu Schwarzeberg ein in neuerer Zeit entdecktes und von den Nachbarschaften im Sommer besuchtes Heilbad. Das Wasser der Quelle ist kalt, enthält 24 Kubikzoll kohlensaures Gas, 22 Gran kohlensauerm Kalk, 10 Gran Magnesia, 2 Gran Eisenoxyd und 2 Gran Bittersalz. In der Nähe des Bades zeigt sich ein nicht gar mächtiges Steinkohlenlager; schwarzer und halbschwarzer Marmor, der sich schon verarbeiten läßt, in großen Geschieben. – Leimbach – Zezwyl mit 8-900 Seelen.
  • Rynach, ein ansehnlich Dorf mit ohngefähr 1900 Seelen. Es ist hier eine Indienne-Druckerei. – Flügelberg, ein kleiner Ort, eigentlicher Hauptsitz der Landsassen im Aargau. – Menziken, hier wie in Rynach werden viel baumwollene Strichzeuge von ohngefähr 60 Fabrikanten verfertigt, die zur Zeit, da der Handel blühte, bei 600 Weber beschäftigten. Die meisten dieser Zeuge gehen in die westliche Schweiz, nach Deutschland und Italien. Hier auch zwei Spinnmaschinen. Eichen – Hohlenweg – Burg, diese kleine Gemeinde dankt ihren Namen dem daselbst noch sichtbaren alten Stammhaus der ehemaligen Herren von Rynach.
  • Leutwyl mit 6 bis 700 Seelen. – Dürrenäsch mit vielen zerstreuten Höfen von 800 Seelen bewohnt. – Beinwyl mit 1000 Einwohnern. – Birrwyl.- Sämmtlich liegen diese Ortschaften am linken Ufer des Hallwyler Sees.
  • Schöftland zählt über 800 Seelen. Hier eine Seidenband- und Seidenhalstuchfabrick. – Schloßrued und Kirchrued, Niederhofen und Kläkli. Das Rueder Schloß ist noch bewohnt. – Schmidtrued mit Matt, Walde und Schiltwald mit einer Spinnmaschine.
  • Dokument

    • Titel:
      Eine Beschreibung des Bezirks Kulm von 1817
    • Autor:
      Raoul Richner, Buchs
    • Veröffentlichung:
      1. Aug. 2016
    • Download:
  • Quellen

    • [Heinrich Zschokke]: Umriß der Landesbeschreibung des eidsgenössischen [!] Freistaats Aargau. Zweites Neujahrsblatt für die aargauische Jugend, herausgegeben von der historischen Klasse der Gesellschaft für vaterländische Kultur im Aargau. Aarau, Sauerländer, 1817, 27-28.