Monatsbeiträge

Mai 2018, Peter Steiner

Ein altes Wynenthaler Blatt

Die Historische Vereinigung Wynental besitzt eine Anzahl alter Wynenthaler Blätter (damals mit -th- geschrieben). Diese sind umso wertvoller, als der Verlag in Menziken selber die Originalzeitungen erst ab 1912 aufbewahrt hat. Wir werfen einen Blick auf die Zeitung Nr.28 vom 6. April 1870. Sie besteht aus einem einzigen vierseitigen Blatt.

Am Kopf der Zeitung erfahren wir, dass sie Im dreizehnten Jahrgang jeweils am Mittwoch und am Samstag erschien. Der Abonnementspreis betrug halbjährlich Fr.2.50, vierteljährlich Fr.1.80. Für ein Inserat kostete die «einspaltige Petitzeile» 10 Cts. (Rappen), im Wiederholungsfall noch 5 Cts. Franken und Rappen hatten damals noch einen heute unvorstellbaren Wert. Interessant ist der Hinweis: «Inserate von auswärts nehmen allein für uns entgegen die HH (Herren) Hausenstein und Vogler in Basel und Zürich, Frankfurt a./M., Hamburg, Leipzig, Wien und Berlin. Erstaunliche internationale Beziehungen!

Der Textteil der Zeitung ist zweispaltig gedruckt Der Leitartikel, der fast die ganze Vorderseite in Anspruch nimmt, ist dem Thema «Das Wynenthal und die Eisenbahn» gewidmet, und das schon in der 5. Folge. Der Verfasser wird nicht genannt. Es dürfte der Redaktor persönlich gewesen sein. Die Frage, ob sich nicht eine Bahn durchs Wynental bauen lasse, war damals brennend (man vergleiche unseren Monatsbeitrag vom Juli/August 2012). Wir zitieren aus dem Artikel: «Im Eingang unserer Eisenbahnartikel haben wir die Frage aufgeworfen: „Darf das Wynenthal mit einem Eisenbahnprojekte vermöge seiner Lage und seiner Industrie vor die Oeffentlichkeit treten, und wenn ja, würde sich eine Bahn durchs Wynenthal rentiren?» Durch Erörterungen und Vergleichungen sind wir dazu gekommen, die erste Frage bejahen zu können, und es sind bereits Schritte zur Verwirklichung eines solchen Schienenweges gethan worden und zwar von Seite der Thalbewohner wie der Regierung.» Skeptischer war der Verfasser gegenüber der zweiten Frage: «Der Verkehr in unserem Thale ist lokaler Art, es ist kein durchgehender oder Transit-Verkehr.... So ist selbstredend, daß eine Wynenthalbahn, wenn sie in normaler Art angelegt würde, sich nie rentiren könnte..... Warum sollte man nicht auch kleinere, wohlfeilere und bescheidenere Eisenbahnen bauen können?» Der Redaktor sprach sich daher für eine schmalspurige Strassenbahn aus. Diese habe allerdings den Nachteil, dass Güter bei den Anknüpfungsstationen umgeladen werden müssten. Dem Umladen könne aber «dadurch abgeholfen werden, daß man die Wagenkasten so einrichtet, daß sie von dem Untergestelle mittelst Krahnen abgehoben und auf die Wagen der Hauptbahnen und umgekehrt gesetzt werden können.» Eine erstaunlich zukunfsträchtige Sichtweise! So ähnlich wurde das später ja tatsächlich realisiert.

Ein Feuilleton, wie es später bin in die neuste Zeit in der Presse üblich war, fehlt noch. Der zweite ausführliche Beitrag, der auf der Vorderseite beginnt und etwas mehr als eine Spalte auf der 2. Seite einnimmt, ist überschrieben mit «Der Volkstag in Langenthal am 3. April». Für unsere Begriffe recht pathetisch wird berichtet: «Ja, ein Volkstag war es, ein Volkstag, wie er seit Jahren nicht mehr erlebt worden ist. Er muß allen Theilnehmern – und es waren ihrer Tausende – unvergeßlich sein und in seiner ernsten Bedeutung, die weithin wiederhallen und in dieser so vielfach belasteten Zeit wie ein frischer Luftstrom die Gemüher durchwehen wird nicht von heute auf morgen, sondern bleibend als Wahrzeichen der Geister im Kampfe um Wahrheit, Freiheit und Humanität.» Gefeiert wurden die Freischarenzüge von 1844/45, die zum Sonderbundskrieg von 1847 und zur Neugestaltung der Schweiz im liberalen Sinne geführt hatten (Bundesverfassung). Am Fest in Langenthal trat unter anderem der Aargauer Augustin Keller als Redner auf. Er wetterte wie einst gegen die Jesuiten und empörte sich über die geplante Unfehlbarkeitserklärung für den Papst. Seine Rede beendete er – von der Versammlung im Chor begleitet – mit Schillers «Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern ....»

In unserer Zeitung folgen auf die beiden Artikel Kurznachrichten aus der Eidgenosschaft und vor allem aus dem Aargau, Wir erfahren etwa, dass der Gemeindeammann in Bergdietikon wegen Pflichtverletzung seines Amtes entsetzt wurde, dass sich in Stadt und Bezirk Lenzburg Wildschweine bemerkbar machten, dass sich das eidgenössische Militärdepartement mit der Anschaffung von Munition für die neuen Hinterladergewehre befasste oder dass ein Knecht aus Othmarsingen von einem mit Steinen beladenen Wagen gefallen war, wobei «ihm beide Beine furchtbar zermalmt worden».

Gute zwei Drittel der dritten und fast die ganze letzte Seite nehmen Inserate ein. Geschäftsleute aus der Region bieten ihre Waren an, so Zigarrenfarbrikant Johann Jakob Wirz in Menziken– nicht etwa Zigarren – sondern Schuhwaren, Maler Döbeli am selben Ort «Tapeten und Borduren», Apotheker Suter in Reinach arabische Gummikugeln für Brust- und Lungenkranke, Haftenfabrikant Wirz daselbst Cement. Gesucht werden zwei Knechte, eine Magd, Zigarrenarbeiter und -arbeiterinnen und ein Zeiger für die Schützengesellschaft Reinach. Zwei Marktfahrer rufen sich für den kommenden Markt in Reinach in Erinnerung. Der Menziker Sternenwirt Samuel Weber lädt für den gleichen Anlass zum Tanz ein. Auffallend ist das Inserat eines Arztes in Berlin, der sich für die briefliche Behandlung von Epilepsie empfiehlt.

Den Abschluss auf der Rückseite der Zeitung machen einige Meldungen aus dem Amtsblatt, nicht aus dem aargauischen, sondern aus dem luzernischen. Angezeigt werden vor allem Konkurse.

  • Dokument

    • Titel:
      Ein altes Wynenthaler Blatt
    • Autor:
      Peter Steiner, Reinach
    • Veröffentlichung:
      1. Mai 2018
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