Monatsbeiträge

April - Mai 2005, Rolf Bolliger

Die Papierfabrik Frey und Wiederkehr

1. Teil

Beitrag zur Industriegeschichte von Gontenschwil

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts hielt die Industrialisierung auch in Gontenschwil Einzug. Vor allem war es die Tabakindustrie welche, von Samuel Weber 1838 in Reinach eingeführt, sich auch in Gontenschwil ansiedelte. Diese neuen Arbeitgeber lösten nach und nach die Heimweberei ab die, im Verlagssystem organisiert, vielen Kleinbauern als Nebenerwerb gedient hatte. Im Jahre 1850 waren in Gontenschwil noch immer über 500 Personen als Weber, Spuler oder Spinner mit der Heimweberei beschäftigt. Neue Wege beschritt der initiative Kleinbauernsohn Samuel Frey mit der Gründung einer Papierfabrik in Gontenschwil.
Samuel Frey (1850-1934) war als erstes Kind der Eheleute Hans Jakob und Elisabeth Frey-Haller auf der oberen Egg (Nr. 203, heute Familie Hauser) geboren. Es sollten in den nachfolgenden 24 Jahren noch elf Geschwister dazukommen. Mit dem Einkommen des Vaters als Kleinbauer und Weber fristete die Familie ein äusserst bescheidenes Dasein. Als ältester musste Samuel schon früh im Webkeller arbeiten und zum Unterhalt der wachsenden Familie beitragen.

Nichtsdestotrotz konnte er nach der Schulzeit eine kaufmännische Ausbildung absolvieren. Im Jahre 1875 war er für kurze Zeit Büroangestellter bei Olivier Zschokke in Zürich, bevor er in den Dienst der Strafanstalt Lenzburg eintrat. Dort kam er in Berührung mit der Herstellung von Papiertüten, was vermutlich die Innitialzündung für seine spätere Unternehmertätigkeit war. Samuel Frey heiratete im Jahre 1879 Rosette Frey (1855-1924), Wirtstochter vom Bad Schwarzenberg. Bald erblickten die Söhne Viktor (1879-1953) und Oswald (1882-1886) das Licht der Welt, letzterer starb aber schon mit drei Jahren. Es folgten die Töchter Valerina (1888-1973) und Helene (*1902).

Samuel Frey

Samuel Frey

Im Jahre 1884 wählte Samuel Frey den Weg in die Selbständigkeit und gründete in Gontenschwil ein Unternehmen der Verpackungsbranche. In der «Dütenfabrik Freya» am Fusse des «Fischerhübels», wurden von tüchtigen Frauenhänden Papiertüten geschnitten, gefalzt und geklebt. Diese Papiersäcke kamen vor allem als Verpackungsmaterial in den Spezereiläden der Umgebung zum Einsatz, wo ein Grossteil der Ware noch im Offenverkauf angeboten wurde. Samuel Frey sah das Marktpotential seiner Produkte und war bestrebt das Angebot auszuweiten. Zur Umsetzung seiner Vision suchte er einen tüchtigen Mitstreiter und fand ihn im Gontenschwiler Hermann Wiederkehr, der nach kurzer Mitarbeit Teilhaber wurde. Mit pionierhaftem Unternehmergeist gründeten die beiden 1891 in Gontenschwil die Firma «Frey & Wiederkehr». Neben Tüten und Papiersäcken wurden bald auch Briefumschläge hergestellt, welche grossen Absatz fanden. Parallel mit dem Kundenkreis vergrösserte sich das Auftragsvolumen, wobei immer kürzere Lieferfristen gefragt waren. Die schwerfällige Handarbeit genügte diesen Anforderungen nicht mehr. Darauf wurde im Jahre 1896, zur rationellen Fertigung, die erste Briefumschlag-Maschine installiert. Anfänglich funktionierten die Prototypen dieser Maschinen noch nicht einwandfrei. Es war dem ausserordentlichen, technischen Geschick von Hermann Wiederkehr zu verdanken, dass sowohl im Bezug auf Qualität wie Quantität ein beachtlicher Ausstoss erzielt werden konnte.

Hermann Wiederkehr

Hermann Wiederkehr

Auf die nun freigewordenen Handarbeitskräfte wartete bereits ein neues Betätigungsfeld. Die anspruchsvolle Kundschaft verlangte immer häufiger nach gefütterten Beuteln für Tee, Kaffee oder Kakao. Diese konnten nur von Hand hergestellt werden und sollen nirgends so exakt und schön verarbeitet worden sein, wie bei «Frey & Wiederkehr». Der Erfolg gab den beiden umtriebigen Unternehmern Recht und sie beschritten weiterhin ihren eingeschlagenen Expansionskurs. Immer neue Erzeugnisse wurden in den Warenkatalog aufgenommen, deren Artikel und Preise man in einer 32-seitigen Broschüre den Kunden vorlegte. Alle Produkte im Detail vorzustellen würde den Rahmen dieses Textes sprengen, es sollen hier aber einige der wichtigsten Papierfabrikate aufgelistet werden.

Nach der Jahrhundertwende wurden die Räume in Gontenschwil für die angestrebte Ausweitung der Geschäftstätigkeiten zu klein. Samuel Frey und Hermann Wiederkehr suchten nach einem neuen, weniger provinziellen Standort für ihr Unternehmen. Im Jahre 1903 konnten in der aufstrebenden Schweizer-Handelsmetropole Zürich Geschäftsräume gemietet werden. Dorthin wurde der mechanisierte Teil der Produktion verlegt, während in Gontenschwil weiterhin die Abteilung «Handarbeit» verblieb. Für die beiden Patrons stand fest, dass sie nicht lange zur Miete bleiben würden, sondern eine neue, modern eingerichtete Fabrik bauen wollten. Nach dem Kauf des Baugrunds an der Zürcher Weberstrasse 5, stand diesem Vorhaben nichts mehr im Wege. Im Jahre 1907 war die neue Fabrik bezugsbereit.

Papierfabrik in Gontenschwil

Papierfabrik in Gontenschwil

2. Teil

Die zukunftsweisende Einrichtung mit den modernsten Maschinen galt damals als kleine Sensation. Damit konnte das Fabrikationsprogramm ausgeweitet und die Produktion hochgefahren werden. Seiner Konkurrenz eine Nasenlänge voraus war das findige Duo Frey & Wiederkehr im Jahre 1915, mit der Einführung des damals noch fast unbekannten Offset-Drucks. Sie hatten die Zeichen der Zeit erkannt. Markenartikel mit ihrer zugehörigen Verpackung entwickelten sich rasant, das Zeitalter von Werbung und Reklame war angebrochen. Die Firma «Frey & Wiederkehr» begegnete dieser Entwicklung mit einem hauseigenes Foto- und Zeichenatelier, in dem innovative und werbewirksame Verpackungsdesigns entstanden.
Im gleichen Jahr zog sich der Firmengründer Samuel Frey ins Privatleben zurück. Er hatte sich schon geraume Zeit auf die Leitung der Handfabrikation in Gontenschwil beschränkt. An seine Stelle trat sein einziger Sohn Viktor Frey. Dieser war bereits einige Jahre in der Firma tätig gewesen und nahm nun als Teilhaber in der Geschäftsleitung in Zürich Einsitz. Dorthin wurde nun auch der letzte bislang in Gontenschwil verbliebene Produktionszweig verlegt. Gleichzeitig mit der Erweiterung des Zürcher Fabrikationsgebäudes wurde die Firma 1917 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Den Verwaltungsrat präsidierte bis zu seinem Tod 1937 Hermann Wiederkehr. Sein gleichnamiger Sohn war 1922 in die Firma eingetreten, erkrankte aber schwer und starb nach zehnjähriger Tätigkeit im Alter von 34 Jahren.
In der Krisenzeit der Dreissiger-Jahre geschahen wichtige Ereignisse, welche die Firmengeschichte der «Frey, Wiederkehr & Co. AG» nachhaltig prägten. Nach dem Tod des alten Patrons Hermann Wiederkehr im Jahre 1937 wurde Willy Gassmann, vormals technischer Direktor, zum Geschäftsleiter gewählt. Dies bewog den kaufmännischen Leiter Hans E. Schaller aus der Firma auszutreten und unter dem Namen «Schaller & Co. AG,» ein Konkurrenzunternehmen zu gründen. Nach dreissigjährigem Bestehen wurde Schallers Firma 1967 von der Holzstoff-Holding in Basel gekauft. Diese «schluckte» ihrerseits zwei Jahre später auch die «Frey, Wiederkehr & Co. AG». Damit kam es zur Fusion der einstigen Konkurrenten, die unter dem Namen «Schaller Frewi AG» mit Standort in Brugg auf den Markt traten.

Die verwaisten Geschäftsräume in Gontenschwil wurden bald neu belebt. Samuel Freys jüngste Tochter Helene heiratete 1925 den Reinacher Max Vogt. Dieser eröffnete im Haus seines Schwiegervaters eine Haftenfabrik. Als Vorbild dienten ihm seine Brüder Hermann und Fritz, die in Reinach bereits 1896 eine Firma dieser Branche gegründet hatten (heute Voco Draht AG). Neben den Haften waren die sogenannten «Vögiplätz», (strumpfartig gewobene Lappen aus Kupferdraht) die zu Reinigungszwecken gebraucht wurden, ein wichtiges Produkt von Max Vogt. Auch dieser neue Industriezweig war den Gontenschwilern sehr willkommen, brachte er ihnen doch Arbeit und Verdienstmöglichkeit.

Papierfabrik in Zürich

Papierfabrik in Zürich

  • Dokument

    • Titel:
      Die Papierfabrik Frey und Wiederkehr
    • Autor:
      Rolf Bolliger, Gontenschwil
    • Veröffentlichung:
      1. April 2005
    • Download:
  • Quellen

    • Frey, Wiederkehr & Co. AG, Gedenkschrift 1941
    • Schaller Frewi, Momentaufnahmen eines Unternehmens 1991