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June 2020, Peter Steiner

Der Menziker Gasthof zum Storchen

Zur Zeit wird der «Storchen» in Menziken durch einen Neubau ersetzt. Das gibt Anlass für einen geschichtlichen Rückblick.

Die Entwicklung des Gastgewerbes in Menziken lässt sich einige Jahrhunderte zurückverfolgen. 1581 erscheint dort in den Quellen erstmals ein Wirtshaus. Es handelte sich um den nachmaligen «Sternen» im Unterdorf. Ursprünglich war das einfache Strohdachhaus möglicherweise namenlos; wir erfahren seinen Namen erst 1738. Doch war es von Anfang an eine Taverne, ein vollberechtigter Gastbetrieb mit Übernachtungsmöglichkeit. Das uns heute bekannte Gebäude wurde erst 1823 oder 1824 errichtet; doch befand sich der einfache Vorgänger am selben Platz.

Weitere Wirtshäuser wurden in der Berner Zeit (bis 1798) in Menziken nicht eröffnet. Die Gnädigen Herren in Bern hatten ein Auge auf die Entwicklung und bremsten sie stark. Mit nicht unberechtigtem Argwohn dachten sie an die möglichen schädlichen Auswirkungen einer Vielzahl von Wirtshäusern wie Trunksucht und Geldverschwendung. Ganz anders wurde es unter den veränderten politischen Verhältnissen im 19. Jahrhundert. Nun waren Neugründungen leicht möglich. So kam auch Menziken 1822 zu einem zweiten Wirtshaus an der heutigen Spitalstrasse. Sein Initiant war der knapp 40-jährige Hans Rudolf Vogt, Landwirt und Familienvater. Der Standort in der nördlichen Ecke Spitalstrasse / Badstrasse (heutige Namen), abseits vom Dorfkern, erstaunt. Doch das Rätsel ist leicht zu lösen. Vogt bewohnte nämlich ein Haus gleich gegenüber, auf der Südseite der Badstrasse. Dieser Verbindungsweg zwischen Hauptstrsse und Parallelstrasse im Osten war schon länger relativ stark besiedelt und wurde schliesslich zu einem eigentlichen Vogt-Quartier. Von einem Dutzend Wohnhäusern gelangten im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts acht für längere oder kürzere Zeit an Vogt-Familen.

Das neue Wirtshaus war ein solider Steinbau mit Ziegeldach. Es war 14½ Meter lang, zweistöckig und verfügte über vier gewölbte Keller. Eine Scheune stand daneben. Es war sicher kein Zufall, dass kurz nach der Eröffnung der neuen Gaststätte auch das alte Sternen-Wirtshaus durch einen modernen Steinbau ersetzt wurde (1823/24). Die bescheidene Strohdachhütte wäre nicht mehr konkurrenzfähig gewesen. Das neue Haus von Hans Rudolf Vogt muss von Anfang an den Namen «Storchen» getragen haben. Die genannte Strasse mit den Vogts-Häusern hiess von jetzt an nämlich Storchengasse. Der Verfasser dieser Zeilen glaubt sich zu erinnern, bei früheren Forschungen festgestellt zu haben, dass der Weg ursprünglich Söigasse hiess, weil dort durch die Schweine vom Hirten zur Weide getrieben wurden. Nicht bekannt ist, warum man für die neue Wirtschaft die nicht gerade gängige Bezeichnung «Storchen» wählte. In der näheren und weiteren Umgebung kannte man nur in Schlossrued schon etwas länger ein gleichnamiges Gasthaus.

Es ist anzunehmen, dass Hans Rudolf Vogt im «Storchen» selber wirtete. Er war aber gleichzeitig Besitzer des ererbten Bauernhauses gegenüber. Hans Rudolf war verheiratet und wurde mit der Zeit Vater von fünf Söhnen und zwei Töchtern. Irgendwann muss er in seinem Wirtshaus eine Bade-Einrichtung eingebaut haben, die nicht nur von Wirtschaftsgästen, sondern allgemein von Besuchern aus dem Dorf benutzt werden konnte. In alter Zeit waren ja Bäder in den Privathäusern ein unbekannter Luxus. Als Johann Rudolf 1842 starb und sein ältester Sohn Johann Jakob den «Storchen» übernahm, wurde der neue Besitzer von Anfang an als Badwirt bezeichnet. Und der Badebetrieb wirkte sich mit der Zeit auf den Namen der oft genannten Strasse aus. Die Menziker sprachen nun statt von der Storchengasse manchmal auch von der Badgasse. Und der Name «Badstrasse» setzte sich ja schliesslich durch.

Verfolgen wir kurz die weitere Storchen-Geschichte im 19. Jahrhundert! Johann Jakob Vogt wirtete nur bis 1856 und verkaufte dann das Gasthaus. Einen familieneigenen Nachfolger hatte er nicht. Von seinem einzigen Sohn ist im Bürgerregister nur gerade die Geburt eingetragen. Während zwei Generationen sorgten nun Vertreter der Reinacher Familie Bauhofer für den Betrieb. 1873 liessen sie neue Dachzimmer einrichten. Weitere bauliche Änderungen müssen im 20. Jahrhundert stattgefunden haben. Wir brechen jedoch unseren Bericht hier ab.

Der Storchen um 1920. Vor dem Gasthaus haben sich Leute zu einigen Männern der Feuerwehr gesellt.

Der Storchen um 1920. Vor dem Gasthaus haben sich Leute zu einigen Männern der Feuerwehr gesellt.

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    • Titel:
      Der Menziker Gasthof zum Storchen
    • Autor:
      Peter Steiner, Reinach
    • Veröffentlichung:
      1. June 2020
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